Das Ende der Briefkastenfirmen? EU Unshell-Initiative ATAD 3

07.10.2024 | Artikel als PDF herunterladen

EU-Richtlinien Projekt ATAD 3

Das Ende der Briefkastenfirmen?

Die EU ist seit Jahren intensiv bemüht, steuerliche Gewinnverkürzungen, Gewinnverschiebungen und aggressive Steuerplanungen zu unterbinden.

Im Jahr 2021 hat die EU in dem Zusammenhang einen Richtlinienentwurf publiziert, betreffend der Verhinderung missbräuchlicher Nutzung von Briefkastenfirmen (auch Anti-Tax-Avoidance-Direktive 3 oder ATAD 3 oder EU Unshell-Initiative genannt). Damit sind Unternehmen gemeint, die ihren statuarischen Sitz z.B. in Liechtenstein, Luxemburg oder der Schweiz haben, deren Geschäftstätigkeit tatsächlich aber im Ausland ausgeübt wird.

Der Richtlinienentwurf wurde in der Vergangenheit mehrfach aktualisiert, überarbeitet und 2023 vom europäischen Parlament verschärft und sollte per 1.1.2024 umgesetzt sein. Dies scheiterte im Wesentlichen am Widerstand Luxemburgs. Ob es 2025 zu der Umsetzung kommt, ist ungewiss, die Richtlinie ist nach wie vor in Diskussion.

ATAD3 sieht die Einführung eines mehrstufigen Substanztests vor, der eine missbräuchliche Nutzung von Briefkastengesellschaften verhindern soll. Durch die Richtlinie ist die Finanzverwaltung daher dazu ermächtigt, ausländische potenzielle Briefkastengesellschaften in substanzieller Hinsicht zu überprüfen.

Betroffen sind grundsätzlich alle Unternehmen in der EU – unabhängig von der gewählten Rechtsform oder der Höhe der Umsätze.

Ausgenommen sind:

  • Börsennotierte Gesellschaften
  • Regulierte Finanzinstitute
  • Gesellschaften, deren Haupttätigkeit im Halten von Anteilen an operativen Gesellschaften liegt, wobei die operative Gesellschaft sowie deren wirtschaftliche Eigentümer steuerlich im selben Mitgliedstaat ansässig sind, wie die zwischengeschaltete Holdinggesellschaft
  • Gesellschaften mit mindestens fünf eigenen Vollzeit-Angestellten, die ausschließlich Tätigkeiten nachgehen, mit denen relevante Einkünfte (siehe unten) erzielt werden

Substanzkriterien – Einstiegstest

In einem ersten Schritt legt die Richtlinie fest, wann ein hohes Risiko des missbräuchlichen Einsatzes von Unternehmen angenommen werden kann.

Dies ist der Fall, wenn eine der drei folgenden Bedingungen erfüllt ist:

  1. Dem Unternehmen fehlt eine operative Tätigkeit oder es handelt sich um eine untergeordnete Tätigkeit. Das ist der Fall, wenn passive Erträge über 65 % des Umsatzes oder entsprechende Vermögenswerte 65 % der Aktiven ausmachen und diese Unternehmen ortsunabhängig agieren können.
    Hierunter fallen insbesondere Einkünfte wie Zinsen, Erträge aus Krypto-Assets, Lizenzen, Miet-/Leasingerträge, Versicherungserträge, Dividenden, Capital Gains und Beteiligungen.
  1. Das Unternehmen ist grenzüberschreitend tätig. Das ist der Fall, wenn mindestens 55 % der Vermögensbuchwerte in den letzten zwei Jahren im Ausland belegt waren und/oder mindestens 55 % der Erträge aus grenzüberschreitenden Transaktionen stammen.
  1. Das Unternehmen lagert seine eigene Verwaltung an Dritte aus.

Offenlegung von Substanz Indikatoren

Erfüllt ein Unternehmen auch nur eines der drei obenstehenden Substanzkriterien des Einstiegstests, wird es als hoch riskant eingestuft mit der Folge, dass es verpflichtet ist, im Rahmen der Jahressteuererklärung folgende Angaben zu dessen Substanz zu machen:

  • Verfügt das Unternehmen über eigene Geschäftsräumlichkeiten im Sitzstaat?
  • Besteht ein Bankkonto in der EU mit aktiver Nutzung?
  • Wohnt die Mehrheit der Mitarbeitenden (sowie mindestens eine Person der Geschäftsführung) im Sitzstaat-Unternehmens sowie in angemessener Entfernung zum Firmendomizil?
  • Weisen die Mitarbeitenden ihrer Tätigkeit entsprechende Qualifikationen auf?

Die Angaben sind durch aussagekräftige Unterlagen zu belegen (z.B. Bruttoeinnahmen, Betriebsausgaben, Geschäftsaktivitäten, Anzahl der Geschäftsführer, Qualifikationen, Ansässigkeit der Geschäftsführer oder genutzte Bankkonten)

Substanzbeurteilung seitens der Finanzverwaltung

Anhand der Erklärungen, Informationen und Belege stellt die Steuerverwaltung fest, ob das Unternehmen ausreichend Substanz aufweist.

Eine Briefkastengesellschaft im Sinne der Richtlinie liegt vor, wenn nicht alle vier Substanzindikatoren erfüllt und zufriedenstellend belegt sind. Eine anderslautende Beurteilung durch nationale Behörden ist unerheblich.

Gegen die Klassifizierung als missbräuchlich eingesetzte, substanzlose Briefkastengesellschaft kann der Steuerpflichtige den Gegenbeweis antreten mit Argumenten und Belegen zu den wirtschaftlichen Gründen für die Errichtung und Führung des Unternehmens sowie dem Nachweis, dass die wesentlichen geschäftlichen Entscheidungen im Ansässigkeitsstaat getroffen werden.

Der Ort der tatsächlichen Verwaltung befindet sich bei internationalem Standort dort, wo die Gesellschaft den wirtschaftlichen und tatsächlichen Mittelpunkt ihrer ökonomischen Existenz hat und die Fäden der Gesellschaftsführung zusammenlaufen.

Befreiung von der Meldepflicht

Ist das Bestehen oder die Zwischenschaltung des Unternehmens wirtschaftlich begründet, kann die Steuerverwaltung – zeitlich begrenzt – von der Meldepflicht befreien.

Das gleiche gilt, wenn das Bestehen nicht zu einer Verminderung der Steuerschuld ihres wirtschaftlichen Eigentümers oder der Unternehmensgruppe führt, der das Unternehmen angehört.

Praktische Auswirkungen

Kommt ein Unternehmen seinen Informations- und Meldepflichten (nach ATAD 3) nicht nach, hat dies folgende Konsequenzen:

  1. Der Ansässigkeitsstaat verhängt eine Verwaltungsgeldstrafe in Höhe von mindestens 5 % des Erlöses.
  1. Der Ansässigkeitsstaat stellt keine Ansässigkeitsbescheinigung aus. (Das Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates bleibt davon unberührt.)
  1. Erlangte oder bestehende Steuervorteile werden aberkannt oder nicht gewährt (insbesondere Abkommensvorteile aus Doppelbesteuerungsabkommen, Quellensteuerbefreiungen nach der Mutter-Tochter-Richtlinie oder Zins-und-Lizenzgebühren-Richtlinie).
  1. Die Besteuerung des Einkommens der Briefkastengesellschaft erfolgt auf Ebene ihrer Anteilseigner (Risiko einer Doppelbesteuerung).

Im Rahmen des automatischen Informationsaustauschs, werden alle Daten unter den EU-Finanzverwaltungen ausgetauscht.

Nach der ATAD 3 Richtlinie ist die Finanzverwaltung darüber hinaus ermächtigt, ausländische, potentielle Briefkastengesellschaften einer Substanzprüfung durch ausländische Behörden unterziehen zu lassen.

Die ausländische Steuerverwaltung ist aufgrund der Richtlinie verpflichtet, binnen eines Monats eine Prüfung des Unternehmens einzuleiten und deren Ergebnisse unverzüglich weiterzuleiten.

Fazit

Unabhängig davon, in welcher Fassung die EU Unshell-Initiative ATAD 3 umgesetzt werden wird, steht fest, dass es zu deutlich erhöhten Anforderungen an die Substanz von Unternehmen kommt.

Nicht-EU-Mitgliedstaaten wie die Schweiz und Liechtenstein sind vorerst nicht direkt betroffen. Eine Ausweitung der Direktive ist jedoch bereits angekündigt, wobei eine rückwirkende Einführung nicht ausgeschlossen ist.

Da eine zweijährig rückwirkende Betrachtungsweise der Verhältnisse im Richtlinienentwurf vorgesehen ist, sollten potentiell betroffene Gesellschaften rechtzeitig Korrekturen und Optimierungsschritte vornehmen.

Autor: Wolfram Voegele, Rechtsanwalt
Sie erreichen den Autor unter: voegele@treuhand-liechtenstein.li

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