Kriterien guter Treuhandschaft – Wie man den geeigneten Treuhänder findet
12.08.2024 | Artikel als PDF herunterladenInhaltsverzeichnis
Treuhandbranche im Umbruch
Die Treuhandbranche durchläuft derzeit eine rasante Transformation und Marktbereinigung, von traditioneller Buchführung hin zu einer zukunftsweisenden digitalen Ära.
Die Zeiten, als der Treuhänder primär Buchhalter war gehen zu Ende. Der Treuhänder der Zukunft versteht sich als Treuhandberater mit besonderer Beratungskompetenz. Er ist IT-affin, beherrscht die digitalen Tools und schafft für den Mandanten Mehrwerte.
Die digitale Entwicklung hat dazu geführt, dass Treuhänder deutlich weniger Mitarbeiter für die gleiche Mandantenanzahl benötigen. Die Treuhänderkosten lassen sich durch digitalisierte Organisation in der Regel halbieren. Der Wert von Routinearbeiten nimmt ab und die Nachfrage nach Beratungsdienstleistungen hingegen ständig zu. Den klassischen „Sachbearbeiter-Job“ gibt es in Zukunft nicht mehr.
Beratungskompetenz ist neben Digitalisierung zum wichtigsten Erfolgsfaktor von Treuhandunternehmen geworden.
Mit der Digitalisierung haben sich auch die Erwartungen der Treuhandmandanten verändert. Sie wurden selbst zum Treiber der Digitalisierung. Mandanten verlangen nach Gesamtlösungen. Prozesse sollen nahtlos funktionieren und komplett digitalisiert sein vom Belegaustausch bis hin zur datenschutzkonformen Kommunikation.
Die Bereitstellung und Nutzung einer gezielten Treuhandsoftware wird erwartet. An der Zeit- und Kostenersparnis des Treuhänders möchte der Mandant teilhaben.
In Zukunft wird der Treuhänder für seine Beratungskompetenz und die Schaffung von Mehrwert bezahlt und nicht mehr für unnötige Produktivitätsstunden. Diejenigen Treuhandunternehmen, die diesen Beratungsservice nicht liefern, werden die Entwicklung nicht überleben.
Letztlich haben der zunehmend staatliche Regulierungsdruck, die ausufernden Dokumentations– und Sorgfaltspflichten und immer komplexere Steuervorschriften bereits heute dazu geführt, dass es unmöglich ist, auf allen Gebieten auf dem neuesten Stand zu bleiben. Der Treuhänder als „Einzelkämpfer“ ist überfordert. Seriöse Treuhandtätigkeit ist nur noch im Kollektiv möglich.
Fazit: Die Entwicklung vom Ein-Mann-Treuhänder zur mittelgroßen Treuhandfirma ist ebenso überlebensnotwendig wie die Digitalisierung und exzellenter Beratungsservice.
Was macht einen guten Treuhänder aus?
Wegleitung zur Auswahl eines geeigneten zukunftsfähigen Treuhänders/ Treuhandunternehmens. Folgende Kriterien müssen hinterfragt werden:
Fachkompetenzen (hard skills)
- Verfügt der Treuhänder über ein fundiertes und aktuelles Fachwissen in den Bereichen Steuern, Betriebswirtschaft, Finanzmanagement, Recht, Compliance, Datenanalyse und Datenmanagement.
Der Treuhänder muss Finanzzahlen auswerten und einschätzen können.
- Bringt der Treuhänder darüber hinaus exzellentes fachliches Spezialwissen mit zu mandantenspezifischen Aufgabestellungen?
Der Treuhänder sollte außergewöhnliche Dienstleistungen anbieten.
- Hat der Treuhänder langjährige persönliche Kontakte mit zuständigen Personen in der öffentlichen Verwaltung und Aufsicht?
- Ist der Treuhänder in internationale Netzwerke eingebunden?
Welche Kooperationspartner werden benannt?
- Spricht der Treuhänder die Sprache des Treugebers? Steht er dem Kulturkreis des Treugebers nahe?
Der Treugeber muss direkt und nicht über Dritte mit dem Treuhänder kommunizieren können. Kontakt über Dritte ist fehleranfällig und nicht beziehungsfördernd.Mentalitätsunterschiede führen oft zu unerwarteten Reaktionen und Problemen.
- Welche regulierte Berufsausbildung hat der Treuhänder abgeschlossen?
- Über welche Berufserfahrung verfügt der Treuhänder?
In welcher Funktion und Eigenschaft?
- Welche gesetzlich geschützten Berufstitel hat er erworben?
Vorsicht: Berufsbezeichnungen wie z.B. „Treuhänder“, „Lawyer“, „Wirtschaftsjurist“ oder „Steuerspezialist“ sind gesetzlich nicht geschützt. Jedermann kann solche Berufsbezeichnungen führen.
- Überprüfen Sie, welcher inländischen Ausbildung und welchem Abschlusstitel die im Ausland absolvierten Ausbildungen und verliehenen Berufstitel entsprechen.
- Unterliegt der Treuhänder einem gesetzlichen, strafbewehrtem Berufsgeheimnis, einer Verschwiegenheitspflicht oder Ethikvorschriften?
Standes- und Ethikrichtlinien wirken wenig disziplinierend, da sie in der Regel nicht strafbewehrt sind.
- An welchen Fortbildungsmaßnahmen hat der Treuhänder teilgenommen?
Wann war das letzte Mal? Welche Zusatzqualifikationen/ Titel wurden dabei erworben?
- Wie lange bietet er seine spezialisierten Fachleistungen schon an?
Welche Referenzen weist der Treuhänder nach?
- Ist die Beratung individuell und proaktiv mit 360-Grad-Blick?
Proaktive Beratung schafft Mehrwerte für den Mandanten. Der Treuhänder geht aktiv auf den Mandanten zu und gibt innovative Anregungen.
- Ist der Treuhänder für den Mandanten einziger Ansprechpartner für alles oder arbeitet er in einem Team zusammen?
Teamarbeit ist unabdingbar für fachliche Exzellenz.
- Wie viele Mitarbeiter beschäftigt der Treuhänder?
- Welche Qualifikationen haben die Mitarbeiter? Nehmen die Mitarbeiter an Fortbildungsmaßnahmen teil? Festangestellte/ freie Mitarbeiter, Vollzeit/ Teilzeit? Homeoffice? Seit wann gehören sie dem Treuhandunternehmen an?
Wie viele Mitarbeiter können durch Digitalisierungsmaßnahmen ersetzt werden? Teilzeit und Homeoffice sind ungeeignet für Treuhandunternehmen, da Informationen verloren gehen und die notwendige Kommunikation leidet.
- Wie wird Interessenkollision vorgebeugt?
- Wie sind die organisatorischen Abläufe im Treuhandunternehmen? Gibt es Zeitmanagement?
Ist der Treuhänder während des normalen Tagesgeschäfts persönlich erreichbar?Ist eine rasche Bearbeitung von Aufgaben und Anfragen sichergestellt?
Anfragen sollten innerhalb von zwei Arbeitstagen beantwortet sein. Lange Wartezeiten bei
Fragen sind ein Warnsignal: Entweder der Treuhänder ist überlastet oder er hat zu wenig
Mitarbeiter, ist nur schlecht organisiert oder gar unfähig.
Benutzt der Treuhänder einen Terminkalender? Wenn nein, fehlt es ihm in der Regel am Überblick über seine Pendenzen.
- Wie geht das Treuhandunternehmen/ die Mitarbeiter mit Compliance Anforderungen um?
Sind die Compliance Regeln dem Personal bekannt? Wie wird deren Einhaltung garantiert?
- Existieren zusätzlich unternehmensinterne Compliance Richtlinien?
Die Festlegung zusätzlicher unternehmensinterner Regeln und Richtlinien sind Voraussetzung eines funktionierenden Compliance Systems.
- Mit welchen Datenschutzstandards und -auflagen wird im Treuhandunternehmen gearbeitet?
Wie wird deren Einhaltung garantiert?
Sind die Standards und Auflagen den Mitarbeitern bekannt?
- Hat das Unternehmen einen internen Datenschutzbeauftragten?
Dem Treugeber sollte bekannt sein, welche Personen seine Daten einsehen und verarbeiten können.
- Ist das Treuhandunternehmen vollständig digitalisiert und automatisiert?
Mit welcher Buchhaltungs- Treuhandsoftware wird gearbeitet? Profitiert der Mandant von der Zeit- und Kostenersparnis des Treuhänders?
- Verfügt der Treuhänder über moderne Telekommunikationseinrichtungen wie Telefax, E-Mail, Mobiltelefon und Videokonferenzeinrichtungen?
Kann das Team die Technik bedienen?
- Ist der Treuhänder vertraut mit dem Umgang des Verschlüsselungsprogramms PGP (Standard in der Kryptographie)?
Die Nutzung von Verschlüsselungsprogrammen ist dringend angeraten zur Sicherung der Vertraulichkeit der Kommunikation über internationale Datennetzwerke.
- Ist die Vermögensanlageverwaltung von der Treuhandverwaltung getrennt?
Eine Trennung wird dringend angeraten! Die Führung beider Verwaltungen in Personalunion begünstigt Interessenkollisionen.Die Treuhandverwaltung sollte aber die Kontrolle über die Vermögensverwaltung ausüben.
- Welche vom Treuhänder angebotenen Dienstleistungen werden an wen outgesourct? Warum werden diese Dienstleistungen nicht vom Treuhänder selbst erbracht?
Das Outsourcen von Dienstleistungen, die zum Dienstleistungsangebot des Treuhänders gehören ist zeit- und kostenintensiv und birgt Kommunikationsdefizite.
Soziale Kompetenzen (soft skills)
Kommunikationsfähigkeit
Die Fähigkeit, Informationen klar und direkt auszutauschen. Die Fähigkeit ist unabdingbar für eine effiziente und zielgerichtete Arbeitsweise und beeinflusst wie leichtgängig und vertrauensvoll die Kommunikation mit anderen Menschen abläuft und ob Kommunikationsziele erreicht werden.
Zu einer guten Kommunikationsfähigkeit gehören auch Empathie und die Eigenschaft des guten Zuhörens.
Teamfähigkeit
Die Fähigkeit zu erfolgreichem Teamwork. Der Weg zum Beratungserfolg führt unweigerlich über einen wertschöpfenden Austausch zwischen dem Team. Probleme müssen offen kommuniziert werden und Lösungen gemeinsam erarbeitet werden.
Diversitätskompetenz
Die Fähigkeit, (fremden) Menschen, Gepflogenheiten, Kulturen und Ideologien mit Empathie, Aufgeschlossenheit und Respekt entgegenzutreten.
Belastbarkeit und Resilienz
Die Eigenschaft, in jeder Lage einen kühlen Kopf und Ruhe zu bewahren und dies auf die Mitarbeiter auszustrahlen und zu übertragen.
Kritikfähigkeit
Die Fähigkeit, Fehler einzugestehen, Unrecht zuzugeben und Verbesserungsvorschläge anzunehmen. Nur wer Kritik annehmen kann, lernt dazu.
Adaptionsfähigkeit
Die Fähigkeit, sich auf neue Verfahrensweisen und Abläufe einzulassen. Die Mitarbeiter zeigen in der Regel Initiative und rasche Auffassungsgabe.
Problemlösungsfähigkeit und Ideenfindung
Die Fähigkeit, auf Probleme schnell und effizient zu reagieren mit lösungsorientierter, innovativer Kreativität und die Fähigkeit zu analytischem und kritischem Denken, Ausdauer und Beharrlichkeit.
Ethische Grundsätze und Werte
Die Qualität der Treuhänderarbeit ergibt sich aus Spezialisierung, Erfahrung, Wissen und Kontakten verbunden mit sozialen Kompetenzen basierend auf ethischen Grundsätzen und Werten wie Integrität, Loyalität, Vertrauen, Unabhängigkeit, Diskretion, Respekt, Umsicht und Vertraulichkeit.
Der gute Treuhänder muss auch in schwierigen Zeiten seinem Mandanten „treu“ sein.
Er vertritt und berät seinen Mandanten ohne Eigeninteressen und mit höchster Transparenz – allein nach dessen Wünschen und Zielen.
Er schätzt die Werte und Wertvorstellungen des Mandanten, hat aber auch eigene nichtdisponible Wertvorstellungen.
Treuhandvertrag
Die Regelungen einer Treuhandvereinbarung sollten gemeinsam erörtert und festgelegt werden.
Folgende teilweise gegenläufige Interessen der Parteien führen in der Praxis häufig zu Divergenzen und bedürfen der besonderen Aufmerksamkeit:
Präambel
Die Interessen, Erwartungen und Ziele, sowie die Rollen, Verantwortlichkeiten und Pflichten der Parteien sollen in einer Präambel klar definiert und festgelegt werden.
Rechte Treugeber
Rechte des Treugebers sollen klar und umfassend benannt werden.
Unter anderem sollen das Recht auf jederzeitige Kontrolle des Treuhänders, das Recht auf Erteilung von Informationen und Rechnungslegung, das Weisungsrecht gegenüber dem Treuhänder, sowie das Recht, die Treuhandschaft jederzeit zu beenden (Kündigung) und das Vermögen zurückzufordern detailliert ausgestaltet sein.
Pflichtenheft Treuhänder
Die Pflichten des Treuhänders müssen in einem Pflichtenheft im Detail benannt sein. Zu diesen gehören u.a.: Die Pflicht zur treuhänderischen Verwaltung des Vermögens, die Pflicht den Begünstigten Rechenschaft abzulegen, den Anweisungen des Treugebers zu folgen und die Vertraulichkeit zu wahren.
Haftung
Der Treuhänder haftet sowohl für eigenes Verschulden als auch für Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen (Angestellte, freie Mitarbeiter, oder sonstige ausgelagerte selbstständige oder unselbständige Dienstleistungserbringer).
Die Haftung umfasst vorsätzliches und fahrlässiges Handeln. Eine Haftungseinschränkung auf grobe Fahrlässigkeit ist bei Treuhandverhältnissen grundsätzlich nicht sachgerecht.
Vertragskündigung
Der Treuhandvertrag muss jederzeit ohne Angaben von Gründen kündbar sein. Eine monatliche Kündigungsfrist zum Monatsende ist dabei angemessen.
Eine fristlose Kündigung ist zulässig allein mit der Erklärung des Treugebers, er habe kein Vertrauen mehr in die Arbeit des Treuhänders.
Zurückbehaltungsrechte
Dem Treuhänder stehen während der Vertragslaufzeit und nach Beendigung des Vertrags keinerlei Zurückbehaltungsrechte an Geschäftsunterlagen und Vermögenswerten des Mandanten zu. Eine Herausgabe muss unverzüglich auf ersten Abruf durch den Mandanten erfolgen. Ein Verstoß gegen die Herausgabepflicht sollte mit einer Vertragsstrafe belegt sein.
Verschwiegenheitspflicht
Die Verschwiegenheitspflichten müssen detailliert beschrieben sein und Verstöße mit Vertragsstrafen sanktioniert sein. Darüber hinaus müssen unternehmensinterne Regelungen Gegenstand der Treuhandvereinbarung sein.
Datenschutz
Personen, die zu schützende Daten des Mandanten einsehen oder bearbeiten können, müssen namentlich benannt werden.
Datenschutzrechtliche Verstöße müssen strafbewehrt sein. Darüber hinaus müssen unternehmensinterne Regelungen Gegenstand der Treuhandvereinbarung sein.
Vermögensverfügungen
Grundsätzlich ist die Treuhandverwaltung organisatorisch von einer eventuellen Vermögensanlageverwaltung zu trennen. Eine Kontrolle kann indes erwünscht sein. Der Treuhänder muss Mandantenvermögen strikt von Eigenvermögen trennen und kennzeichnen.
Banken
Der Mandant bestimmt grundsätzlich, über welche Bank Geldtransaktionen durchgeführt werden.
Der Treuhänder hat zur Überweisung/ Weiterleitung von Geldzahlungen eine Frist von maximal zwei Arbeitstagen. Verstöße hiergegen müssen strafbewehrt sein.
Vorteilsannahmen
Dem Treuhänder und Mitarbeitern sind jegliche Vorteilsannahmen aus dem Treuhandverhältnis untersagt. Hierunter fallen: Retrozahlungen, Provisionszahlungen und andere geldwerte Leistungen.
Verstöße hiergegen müssen strafbewehrt sein.
Ansprechpartner
Das Team/ verantwortliche Ansprechpartner für den Mandanten sind namentlich zu benennen und deren Zuständigkeit ist abzugrenzen.
Des Weiteren ist ein Gesamtverantwortlicher des Teams zu benennen.
Interessenkollision
Interessenkollisionen sind dem Mandanten nicht nur dann schriftlich mitzuteilen, wenn der Tatbestand erfüllt ist, sondern bereits im Vorstadium, wenn die Gefahr einer Interessenkollision besteht. Verstöße hiergegen müssen strafbewehrt sein.
Honorar
Die Vereinbarung von Erfolgshonoraren oder eine Abrechnung nach Streitwerten oder Pauschalen ist bei Treuhandleistungen grundsätzlich nicht sachgemäß.
Die Parteien sollten ein Zeithonorar zugrunde legen mit Stundensätzen, die der Qualifikation des jeweiligen Leistungserbringes entspricht. Dabei gilt eine minutengenaue Zeiterfassung mit vierteljährlicher Abrechnung.
Fazit
Die erforderlichen Fachkompetenzen sind hinterfragbar und vom Treuhänder belegbar.
Die soziale Kompetenz und die ethischen Grundsätze und Werte sind nicht sofort erkennbar, sondern treten in der Regel erst im laufenden Diskurs und Austausch mit dem Treuhänder zu Tage.
Frühindikator für etwaige Defizite in der sozialen Kompetenz und Mängel an ethischen Werten ist die Treuhandvereinbarung zwischen den Parteien:
Sind im Vertragsentwurf des Treuhänders die gegenseitigen Interessen ausgeglichen und ausgewogen, oder begünstigt sich der Treuhänder?
Wie reagiert der Treuhänder auf Kritik und Änderungswünsche?
Spätestens bei Erörterung der Vertragsklauseln wird deutlich, wie fair, transparent und integer der ausgesuchte Treuhänder in Zukunft sein wird.
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Tags: Treuhand, Treuhänder, Treuhandvertrag