Wegzugsbesteuerung Deutschland: Voraussetzungen und Gestaltungsmöglichkeiten

09.05.2025 | Artikel als PDF herunterladen

Wer auswandern möchte, sollte sich möglichst frühzeitig mit dem Thema Wegzugsbesteuerung befassen. Erst jüngst hat der deutsche Gesetzgeber die Regelungen hierzu erneut verschärft. Glücklicherweise stehen Steuerpflichtigen zahlreiche legale Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung, um eine Belastung mit der Wegzugssteuer zu vermeiden oder jedenfalls merklich zu verringern.

Wegzugssteuer als „Exit Tax“

Die Wegzugsbesteuerung ist keine eigene Art der Steuer. Sie ist Teil der Einkommenssteuer und knüpft unter anderem an den Wegzug aus Deutschland an. Versteuert wird der Wertzuwachs von Anteilen an Kapitalgesellschaften im Moment des Wegzugs. So gesehen fällt die Einkommenssteuer auf einen nur fiktiven Veräußerungsgewinn an. Der Steuerpflichtige wird so gestellt als hätte der seine Anteile beim Wegzug verkauft. Die Wegzugsbesteuerung dient als eine Art „Schlusssteuer“. Mit ihr will sich der Fiskus seinen Anteil an den Wertzuwächsen sichern, bevor das Besteuerungsrecht mit dem Wegzug im Regelfall auf einen anderen Staat übergeht. Im Umkehrschluss heißt das, dass solange der Zugriff des Fiskus fortbesteht, auch der Grund für die Wegzugsbesteuerung entfällt. Dieser Zusammenhang kann in einzelnen Gestaltungen genutzt werden, um eine Besteuerung zu vermeiden.

Die Voraussetzungen der Wegzugsbesteuerung

Wenn eine natürliche Person mit privat gehaltenen Anteilen an einer Kapitalgesellschaft (wie GmbH oder AG) ins Ausland umzieht, greift in vielen Fällen die Wegzugsbesteuerung. Folgende Voraussetzungen lösen die Wegzugssteuerpflicht aus: Der Wegziehende war innerhalb der vergangenen zwölf Jahre mindestens sieben Jahre in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig, hielt in den letzten fünf Jahren mindestens 1% der Anteile an einer Gesellschaft und gibt seinen Wohnsitz in Deutschland endgültig auf.

Ohne Bedeutung ist demnach die Staatsangehörigkeit. Auch ein gleichzeitiger Wohnsitz im Ausland steht der Steuerpflicht nicht entgegen. Unterbrechungen der Steuerpflichtigkeit in Deutschland – etwa durch vorrübergehende Aufenthalte im Ausland – verhindern die Wegzugssteuer ebenfalls nicht. Die Zeiträume, in denen der Wegziehende der deutschen Steuerpflicht unterlag, werden schlicht addiert.

Es gibt zudem Fälle, in denen auch ohne, dass der Steuerpflichtige aus Deutschland wegzieht, die Wegzugssteuer greifen kann. Darunter finden sich etwa folgende Konstellationen:

  • Der Steuerpflichtige verschenkt oder vererbt Anteile an eine Person, die in Deutschland nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist
  • Der Steuerpflichtige behält zwar seinen Wohnsitz in Deutschland, gilt aber gemäß einem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) als in einem anderen Staat ansässig
  • Der Steuerpflichtige bringt seine Anteile in einen ausländischen Betrieb oder eine ausländische Betriebsstätte ein

Schon dieser kurze Überblick zeigt: Die Wegzugsbesteuerung greift in weit mehr Fällen als es auf den ersten Blick scheint.

Was wird versteuert

Von der Besteuerung erfasst sind sämtliche Anteile an Kapitalgesellschaften wie zum Beispiel einer AG, GmbH oder KGaA. Auch Anteile an ausländischen Kapitalgesellschaften – zum Beispiel einer englischen Ltd. – unterliegen der Besteuerung. Ausreichend ist bereits, dass der Steuerpflichtige innerhalb der letzten fünf Jahre vor seinem Wegzug mindestens mit 1% an der Gesellschaft beteiligt war. Nach der jüngsten Gesetzesverschärfung zu Beginn dieses Jahres unterfallen nunmehr auch Wertzuwächse aus bestimmten Investmentfonds der Wegzugsbesteuerung. Hierunter fallen nunmehr insbesondere auch die weit verbreiteten Exchange Traded Funds (ETFs). Ebenso werden jetzt auch Anteile an Sondervermögen der Wegzugsbesteuerung unterworfen. Die Ausweitung der Wegzugsbesteuerung erstaunt insoweit, als dass die Gesetzeslage bereits Instrumente wie die Vorabpauschale vorsah, die eine laufende Besteuerung (fiktiver) bisher nicht realisierter Kapitalerträge ermöglichte. Die damit eingeschlagene Verschärfungsdynamik könnte darauf hindeuten, dass der deutsche Gesetzgeber auch in Zukunft nicht davor zurückschrecken dürfte, weitere Vermögenswerte der Wegzugsbesteuerung zu unterwerfen.

Ausgangspunkt der Berechnung der Wegzugsbesteuerung ist in der Regel der Marktwert der Gesellschaftsanteile. Davon sind die Anschaffungskosten abzuziehen. 60% hiervon wiederum werden mit dem persönlichen Einkommenssteuersatz einschließlich des Solidaritätszuschlags versteuert. Die restlichen 40% des Wertzuwachses bleiben steuerfrei.

In der Sache wird also so getan als sei es mit dem Wegzug zur Veräußerung der Anteile gekommen. Auf diese Weise will der Fiskus an den Gewinnen, auch wenn diese noch gar nicht realisiert wurden, partizipieren. Die Veräußerungsfiktion führt zu dem meist ungewünschten Effekt, dass stille Reserven mit der Einkommenssteuer belastet werden. Für die Betroffenen kann das zu beträchtlichen Liquiditätseinbußen führen. Hierzu ein Beispiel:

Herr Meier lebt in Deutschland. Vor 10 Jahren hat er 100% der Anteile an einer GmbH für 100.000 € (Buchwert) erworben, weil er die großen Chancen des Geschäftsmodells erkannt hat. Durch den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens sind diese Anteile heute 500.000 € wert (Verkehrswert). Die stillen Reserven – also die Differenz zwischen Buch- und Verkehrswert – betragen somit 400.000 €.

Wenn Herr Meier nun ins Ausland zieht und auch die übrigen Voraussetzungen für die Wegzugsbesteuerung erfüllt, wird eine fiktive Veräußerung seiner GmbH-Anteile angenommen. Die stillen Reserven von 400.000 € werden „aufgedeckt“ und zu 60% besteuert (mithin 240.000 €). Dieser Betrag wird nach dem persönlichen Einkommensteuersatz von Herrn Meier versteuert. Bei einem angenommenen Spitzensteuersatz von 45% plus Solidaritätszuschlag wären das etwa 115.000 € Steuern, die Herr Meier zahlen muss, obwohl er seine Anteile gar nicht verkauft hat.

Duch die „Aufdeckung der stillen Reserven“ werden also bisher unversteuerte Wertsteigerungen anlässlich des Wegzugs der Besteuerung zugeführt.

Gestaltungsmöglichkeiten

Es gibt diverse Ansätze, um die Wegzugsbesteuerung zu vermeiden.

Ein verhältnismäßig simpler Ansatz ist es, zu prüfen, wie das Auswandern selbst gestaltet werden soll. So kann am Anfang die Überlegung stehen, ob auch ein begrenzter Auslandsaufenthalt statt eines endgültigen Wegzugs in Betracht kommt. Denn die Wegzugsteuer kann rückwirkend aufgehoben werden, wenn der Steuerpflichtige innerhalb von sieben Jahren nach Deutschland zurückkehrt und hierzulande wieder unbeschränkt steuerpflichtig wird. Diese Frist kann auf Antrag um weitere fünf Jahre (insgesamt auf zwölf Jahre) verlängert werden. Bei einer Rückkehr in diesem Zeitraum, ist eine Rückerstattung der gezahlten Wegzugssteuer möglich. Allerdings dürfen die betreffenden Gesellschaftsanteile während des Auslandsaufenthalts nicht veräußert werden. Zudem muss für die Fristverlängerung die Absicht zur Rückkehr überzeugend dargelegt werden. Das Liquiditätsproblem im Moment des Wegzugs bleibt ebenfalls ungelöst. Der Wegziehende kann jedoch zumindest die Zahlung in sieben gleichen Jahresraten beantragen.

Denkbar ist es auch, die Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft umzuwandeln oder die Gesellschaftsanteile als Betriebsvermögen in die Personengesellschaft einzubringen. Allerdings gilt es auch hier Fallstricke etwa in Form der Entstrickungsbesteuerung zu berücksichtigen. Gibt ein Steuerpflichtiger mit Einkünften aus Gewerbebetrieb seinen inländischen Wohnsitz auf und ist nicht mehr in Deutschland ansässig, und dadurch das deutsche Besteuerungsrecht an Wirtschaftsgütern in seinem steuerlichen Betriebsvermögen eingeschränkt oder ausgeschlossen, gelten diese Wirtschaftsgüter als zum gemeinen Wert aus dem Betriebsvermögen entnommen. Entsprechendes gilt für Steuerpflichtige mit Einkünften aus selbständiger Tätigkeit. Durch die fingierte Entnahme kommt es wie bei der Wegzugsbesteuerung zur Aufdeckung der Wertzuwächse und einem Ende des Steuerstundungseffekts. Standardfall ist die Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte. Ein zentraler Baustein zur Vermeidung der Entstrickungsbesteuerung ist insoweit, dass die Geschäftsführung weiter aus Deutschland heraus erfolgt.

Ist ohnehin geplant Vermögen – etwa im Wege der vorweggenommenen Erbfolge – unentgeltlich auf andere zu übertragen, könnten hierzu die betreffenden Anteile genutzt werden, auf deren Wertzuwachs sonst die Wegzugssteuer anfallen würde. Durch die unentgeltliche Übertragung von Anteilen auf Angehörige können vor dem Wegzug zudem Schenkungssteuerfreibeträge genutzt werden. Vorsicht ist geboten, wenn der zu Beschenkende seinerseits im Ausland lebt.

Anteilseinbringung in eine liechtensteinische Familienstiftung

Attraktiv kann die Einbringung der Anteile in eine liechtensteinische Familienstiftung sein. Denn hierdurch können nicht nur Steuervorteile erzielt, sondern kann auch das Vermögen effektiv geschützt werden. Wesentliches Merkmal der Stiftung ist es, dass sie über eigenes dauerhaft selbstständiges Vermögen verfügt. Sie ist unabhängig vom Vermögen des Stifters. Beteiligungen an einer Stiftung sind nicht möglich. Mit einer frühzeitigen Planung kann die liechtensteinische Stiftung auch dafür eingesetzt werden, eine Wegzugsbesteuerung zu vermeiden. Hierzu kann etwa die liechtensteinische Stiftung – etwa als Mutter in einer Holdingstruktur – deutsche Gesellschaften errichten. Oder die Gesellschaftsanteile werden möglichst frühzeitig noch vor einem nennenswerten Wertzuwachs auf die Stiftung übertragen.

Die Übertragung des Stiftervermögens an die liechtensteinische Familienstiftung ist zudem in einigen Konstellationen erbschafts– und schenkungssteuerfrei möglich. Ein Grund dafür sind Verschonungsregelungen für begünstigtes Unternehmensvermögen. Dieses Institut ist anwendbar, wenn

1. die Stiftung über ihr Vermögen zivilrechtlich frei verfügen kann

2. der Stifter keine umfassenden Herrschaftsbefugnisse über das Stiftungsvermögen hat

3. die Stiftung intransparent und wie eine deutsche Familienstiftung ausgestaltet ist, das heißt, dass nach ihrer Satzung der Stifter und seine Angehörigen und deren Abkömmlinge zu mehr als der Hälfte bezugs- oder anfallsberechtigt sind.

Zum begünstigten Unternehmensvermögen zählt insbesondere:

  • Inländisches Betriebsvermögen
  • Inländisches land- und fortwirtschaftliches Vermögen
  • Anteile an Kapitalgesellschaften mit Sitz in der EU oder im EWR, wenn eine Beteiligung zu mehr als 25 Prozent besteht

Dem Erwerber des begünstigten Vermögens wird ein Verschonungsabschlag von 85% gewährt, wenn der Betrieb mindestens 5 Jahre fortgeführt und dabei die Lohnsumme mindestens 400 Prozent der durchschnittlichen Lohnsumme der letzten 5 Jahre von Betriebsübergang erreichen. Das Verwaltungsvermögen des Unternehmens darf höchstens 50% seines Werts ausmachen. Diese Verschonungsoption kann im Fall der Übertragung auf eine Familienstiftung zu einer 100-prozentigen Erbschaftssteuerbefreiung ausgeweitet werden. Voraussetzung ist, dass die Lohnsumme über sieben Jahre 700 Prozent der durchschnittlichen Löhne der letzten fünf Jahre vor dem Bewertungsstichtag ausmacht und das Verwaltungsvermögen maximal 10% des Unternehmenswerts beträgt.

Hinzukommen weitere mögliche Vorteile der liechtensteinischen Familienstiftung. Während etwa deutsche Familienstiftungen einer Körperschaftssteuer von 15% und Solidaritätszuschlag unterliegen, fällt auf Kapitalerträge einer liechtensteinischen Familienstiftung bei richtiger Gestaltung lediglich eine jährliche Mindestertragssteuer von 1800 CHF an. Auch trifft Stiftungen in Lichtenstein keine Erbersatzsteuer wie es in Deutschland der Fall ist. Es ist zudem möglich, die Übertragung von Betriebsvermögen auf eine liechtensteinische Familienstiftung wegzugssteuerfrei zu gestalten. So etwa durch eine entgeltliche Ausgestaltung der Übertragung unter Ausnutzung von ertragssteuerlichen Befreiungen oder durch die vorherige Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft.

Die jüngste Ausweitung der Wegzugsbesteuerung hat gezeigt, dass der Gesetzgeber zu weiteren Einschnitten für vermögende Auswanderer oder Stifter ausländischer Stiftungen bereit ist. Mit einer vorausschauenden Vermögensverlagerung in andere Jurisdiktionen mit stabilen politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen dürften Betroffene weitere Eingriffe in ihre Freizügigkeit zumindest abfedern können.

International ist aber festzustellen, dass zunehmend weitere EU-Länder den deutschen Regelungen folgen.

Autor: Wolfram Voegele, Rechtsanwalt
Sie erreichen den Autor unter: voegele@treuhand-liechtenstein.li

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